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Was den Handel nach der Pandemie erwartet

 

von Daniel Schnödt, Geschäftsführer TeamScio und Veranstalter Trendforum Retail

Sicher ist, dass es nicht ein allgemeingültiges Modell für alle gibt, sondern dass ein individuelles Instrumentarium für den einzelnen Händler entwickelt werden muss. Zu erwarten wird sein, dass sich die Menschen und somit die Konsumenten zunehmend kritischer mit der Umwelt beschäftigen werden, deutlich verantwortungsbewusster handeln, neue Werte für sich definieren und ihre Verhaltens- und Erlebensweisen danach ausrichten.

Das bedeutet für den Einzelhandel: Nach tiefen Einschnitten folgt Orientierung, Erkundung, das Ablösen alter Bedürfnisse und schließlich die Neupositionierung. Dabei dürften meines Erachtens die drei wichtigsten Verhaltensmuster Nähe, Distanz und Verantwortungsbewusstsein werden.

Neue Kundenbeziehungen werden aufgebaut mit dem Wunsch nach Nähe und Gruppenzugehörigkeit

Der Handel wird massive Konsumentenwanderungen erleben. Manchmal reicht es dabei aus, mit nur 20 Prozent der Fläche im Storedesign zu arbeiten und die Sortimente auf der verbleibenden Fläche neu auszurichten (sowohl in der Sortimentsdimension und -kuratierung, als auch in der Warenplatzierung und -präsentation). Eine Neukuratierung der Sortimente bedeutet immer auch Flächengewinn, was eine Fokussierung auf Kundenflächen und höchste Möbelflexibilität bedeutet. Dazu zählen z. B. Kabinen, Kassen, Ruhezonen und Aktionsflächen mit modularen, variablen und mobilen Möbeln.

Neue Kundenbeziehungen werden aufgebaut mit dem Wunsch nach Abstand und Autorität

Die Gewinner der Krise werden die Branchen Lebensmitteleinzelhandel, Living (Baumärkte, Raumausstatter, Gartencenter, Glas, Porzellan, Keramik; Wohnaccessoires und Geschenkartikel, etc.) und die Unterhaltungselektronik sein. Händler, die dem Kunden die kleinen Wünsche des Lebens erfüllen und die dazu klare Botschaften und Learnings vermitteln. Unter dem Aspekt „Education“ und den neuen Arbeitsweisen tritt hier die zunehmende Digitalisierung auf der Fläche in den Fokus.

Deutlich zunehmen werden auch hygienische Faktoren wie Desinfektion, die Handhabung mit Rückzugsbereichen und Thekenflächen oder die schlichte Anzahl der Kunden. So wird die Erstarkung des inhabergeführten Einzelhandels, der sich digital reformieren muss, weiter an Relevanz gewinnen. Aber auch die bekannten Filialisten werden zunehmend auf kleinere Flächenformate für unterschiedliche Standorte setzen. Auch hier ist der digitale Aspekt (digitale Regalverlängerung) ein relevantes Thema, da die Kunden deutlich näher am realen Konsum (readyto-use oder ready-to-wear) kaufen.

Neue Kundenbeziehungen werden aufgebaut mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein

Gewinner werden wieder lokale, kleinere Unternehmen sein, die auch einen Beitrag zum Allgemeinwohl abgeben, und Händler, die sich aktiv mit umweltpolitischen und nachhaltigen Themen auseinandersetzen. Der Handel/ der Ladenbau müssen sich daher verstärkt mit zertifizierten und nachwachsenden Materialien auseinandersetzen und auf zunehmend kleinere Formate setzen.

Ebenso gefragt sind neue Ideen, die ausschließlich dem Kunden zugutekommen: Umkleidezimmer, interaktive Flächen oder integrierte, innovative Gastronomieangebote müssen zukünftig für Sozialisation, Interaktion aber auch Behaglichkeit sorgen. Daher wird auch der Einsatz sensualer Reize immer wichtiger: Materialeinsatz, Farbgebung, Duftmarketing oder Beleuchtung müssen aufeinander abgestimmt werden. Auch müssen die digitalen Inhalte auf die Fläche gebracht werden (Transformation). Der Kunde möchte diese Inhalte erleben, erfahren und ausprobieren – Education, Experience, Etailment sind hier die Schlagworte. Dem Spagat zwischen Sortimentsverdichtung und perfekter Inszenierung wird dabei eine wichtige Bedeutung zukommen.


DANIEL SCHNÖDT (Foto) ist seit vielen Jahren mit seiner Beratungsgesellschaft TeamScio im Einzelhandel unterwegs. Die Agentur erarbeitet Lösungen für den Einzelhandel und deren Lieferanten von der von der POS – Gestaltung, multisensuales Marketing im Store- und Shopdesign bis hin zu ganzheitlichen Marketingkonzepten und langfristigen Unternehmensstrategien. Er ist Kooperationspartner sowie Jurymitglied „Store of the Year“ beim HDE, sitzt im Beirat des Storebooks des Deutschen Ladenbauverbandes und lehrt an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Darüber hinaus ist Schnödt als Buchautor und Referent auf Fachkongressen tätig. 2018 gründete er die Initiative zum Netzwerk Trendforum Retail.

DANIEL SCHNÖDT ist auch Jurymitglied beim Wettbewerb „Store of the Year“ des Handelsverbandes Deutschland. In dieser Funktion zeichnete er 2021 den Concept-Store _blaenk aus, der auf dem Titelfoto zu sehen ist (Quelle: _blaenk).

schnoedt@teamscio.de
trendforum-retail.de


 

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