Kategorien
Meinung

Nachhaltigkeit im Stadtmarketing

 

I amsterdam – so lautete der überdimensionale Schriftzug, der jahrelang den Touristen in Amsterdam als Fotomotiv diente. Als symbolischen Akt gegen den Massentourismus entfernte die Stadt 2018 die Buchstaben. Den Berliner Senat beschäftigte 2019 die Frage, ob Steuergelder im Marketing weiterhin richtig angelegt sind, werden sie damit doch indirekt auch in Klimaschäden und Gentrifizierung investiert. Demnach haben einige Städte ihre Belastungsgrenzen bereits erreicht, wenn nicht sogar überschritten. Es ist Zeit, das Stadt- und Tourismusmarketing zu überdenken: Mehr Einwohner, Betriebe und Gäste und somit Einnahmen für die Stadt zu generieren ist eine der Zielsetzungen. Aber das Marketing leistet vor allem eben auch eins: Die Lebensbedingungen in der Stadt verbessern für die Menschen, die hier leben.

Den Nachhaltigkeitstrend nutzen

Seit einigen Jahren wächst weltweit das Bewusstsein für den Erhalt der natürlichen Ressourcen. Umweltorientiertes Handeln wird nach und nach in den Alltag integriert – mindestens da, wo es bequem umsetzbar ist. Ein Trend, den sich unsere Regionen, Städte und Gemeinden spätestens jetzt zunutze machen sollte. Deutschlandweit entstehen innovative Ideen. Einige machen es vor:

  • Baden-Württemberg wirbt als „Grüner Süden“ mit nachhaltigen Urlaubserlebnissen.
  • Celle wurde 2017 als „Nachhaltige Destination“ ausgezeichnet.
  • Mit Juist will eine ganze Insel klimaneutral werden.
  • An den Stränden von Neustadt i.H. dienen Abstimmaschenbecher als Motivation, Kippen ordnungsgemäß zu entsorgen.
  • Nürnberg hat mit dem „FabLab“ eine offene Werkstatt für Upcycling-Projekte eingerichtet.
  • Osnabrück bietet Schnupperpakete für den ÖPNV an.
  • Und in Hamburg findet mit dem „Futur 4 Festival“ eine energieautarke Musikveranstaltung statt.
  • Urban Gardening-Projekte schießen aus dem Boden und das Recup-Pfandsystem zählt mittlerweile deutschlandweit über 5.000 Ausgabestellen für seine Mehrwegbecher.

Dabei sind es längst nicht nur die Verwaltungen selbst, die Maßnahmen initiieren. Auch Gewerbevereine, Unternehmen, Vereine, Bürgerinnen und Bürger sind hochmotiviert, etwas zu verändern. Diese Euphorie ist ansteckend und bietet neben einer besseren Ökobilanz unseren Regionen, Städten und Gemeinden noch mehr. Denn Nachhaltigkeit ist prädestiniert, Menschen in einer Stadt zusammenzubringen und im besten Falle sogar neue Frequenzen zu schaffen. Spätestens die Corona-Krise hat verdeutlicht, dass wir einander brauchen, Austausch und soziales Miteinander sind Säulen unseres Wohlbefindens. Recycling-Cafés und Workshops rund um Nachhaltigkeit im Alltag können dabei sinnbehaftete, zwischenmenschliche Erlebnisse und das stärkende Gefühl schaffen, gemeinsam etwas Gutes zu tun. Die Innenstadt als geographische und als soziale Mitte ist der perfekte Ort für diese Angebote, insbesondere Leerstände kommen infrage. Wochenmärkte können durch Marketing weiter gestärkt werden, sind sie doch der Inbegriff des verpackungsfreien Einkaufens regionaler und saisonaler Produkte. Händler und Dienstleister können ebenfalls profitieren, indem sie sich den Trend zunutze machen und Refill-Stationen für Trinkflaschen oder Jute- statt Plastikbeuteln anbieten. So funktioniert nachhaltige Kundenbindung im doppelten Wortsinn.

Regionen, Städte und Gemeinden als Möglichmacher

Immer mehr Städte und Gemeinden steuern das Thema Nachhaltigkeit auch strategisch, setzen sich konkrete Ziele, formulieren Leitbilder, schaffen (zum Teil geförderte) Stellen für Klima- und Nachhaltigkeitsmanager und verzahnen das Thema in alle Handlungsbereiche der Stadt. Indem sie sich dem Thema noch mehr annimmt, kann die Stadt zum Vorbild, zum Möglichmacher und Motivator für ökologisch nachhaltiges Handeln werden und das vor Ort sicherlich schon vorhandene Engagement Einzelner sinnvoll zusammenführen. Das Stadtmarketing erhält eine neue Sinnhaftigkeit und wird als das verstanden, was es sein will und eigentlich längst schon ist: Ein „Verbesserer“ der Stadt hin zu einem zukunftsfähigen Lebensraum.


 

NachhaltigkeitStadtentwicklungStadtmarketing

Autor*in

Janne Borchers

cima // Beraterin Stadt- und Regionalmarketing

Weitere Beiträge von Janne Borchers