Markthalle Herford Foto Denis Karabasch im Auftrag der Pro Herford GmbH
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Markthallen: Frequenzmagnete für Innenstädte

 

Wenngleich Wochenmärkte oftmals auch als Auslaufmodelle bezeichnet werden – das Statistische Bundesamt vermeldet für 2009 bis 2019 eine weitgehend konstante Anzahl von bundesweit 6.100 Handelsunternehmen an Verkaufsständen und auf Märkten, darunter 3.800 Anbieter von Nahrungs- und Genussmitteln. Und während der Corona-Pandemie durchlebte der klassische Wochenmarkt eine Renaissance. Organisatoren vermeldeten zu Lockdown-Zeiten – auch aus Hygiene-Gründen – gute Besucherzahlen. Parallel dazu entstehen neue Typen von Markthallen. Ein Beitrag von ROLAND MURAUER, Geschäftsführender Gesellschafter CIMA Beratung + Management Austria.


 

Schon bei der Planung bzw. Bau von Markthallen im 19. Jahrhundert wurde nicht nur auf Funktionalität Wert gelegt, sondern auch auf hohe Qualität der Innen- und Außenarchitektur. Beeindruckende Vorbilder sind The Covered Market in Oxford (UK) und die Markthalle in Livorno (I). Und aus den vielen erfreulichen Beispielen zeitgenössischer Gestaltung sind die Torvehallerne (DK), entworfen vom Kopenhagener Architekten Hans Peter Hagens, hervorzuheben. Ebenso wie ein weltweit viel beachtetes gestalterisches Juwel, welches der niederländische Architekt Winy Maas 2014 schuf – die Markthal in Rotterdam (NL).
Markthallen sind jedoch nicht nur Wahrzeichen; in vielen europäischen Städten zählen sie zu wichtigen und vor allem auch frequenzsteigernden Angebotsstrukturen innerstädtischer Räume. Fachlich also ein sehr spannendes Themenfeld und regelmäßig Gegenstand in der Beratung. In folgenden Beitrag möchte ich Erkenntnisse zu unterschiedlichen Markthallentypen, generellen Standortkriterien, beachtenswerten Trends sowie infrastrukturellen Rahmenbedingungen aufzeigen. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auch auf erfolgreich realisierte Markthallen in kleineren und mittelgroßen Städten gerichtet.

Markthallen-Typen

Seit rund 15 Jahren ist einerseits ein architektonisches und auch angebotsseitiges „Facelifting“ vieler traditioneller Markthallen zu beobachten; andererseits das Entstehen komplett neuer Markthallentypen mit positiven Auswirkungen auf die Attraktivität und Besucher*innenfrequenzen an den jeweiligen Innenstadt-Standorten. Fachlich lassen sich diese Markthallenformen im Wesentlichen in vier Typen einteilen.

Typus 1 Wochenmarkthallen: Sie präsentieren sich in erster Linie als „überdachter“ permanenter Grün- und Wochenmarkt, wobei neben gewerblichen Anbietern (je nach Markthalle zwischen 50-70 %) auch Direktvermarkter präsent sind. Interessante Typus 1-Markthallen sind bspw. die Markthalle in Celje (SI), der Mercato Albinelli in Modena (IT), der Mercado Municipal in Sagres (PT).

Typus 2 Genussmarkthallen: Sie sind Markthallen mit hochwertigem, spezialisiertem Lebensmittelange-bot in bestdesignten Ladenständen. Sie stellen häufig architektonische Wahrzeichen sowie touristische Hotspots dar.

Typus 3 Food-Courts: Der Typus trägt der gestiegenen Bedeutung von Gastronomie in Innenstädten und Einkaufszentren samt der mittlerweile hohen Vielfalt an urbanen Erlebnis- und Themengastronomieangeboten Rechnung. In den Food-Courts dominiert die gastronomische Komponente, zumeist in Kombination mit Produktverkostungen und direktem Lebensmittelverkauf. Zugleich sind derartige Markthallen gefragte Eventlocations. Exemplarische Standorte sind dahingehend z. B. der Mercato di Mezzo in Bologna (IT), die Markthalle in Freiburg (DE) oder das Old Post Office in Washington (USA).

Typus 4 Misch-Formen: Sie stellen eine Art „Hybrid“ zwischen Typus 2 und 3 dar. Neben hochspezialisierten Marktständen mit regionalen und internationalen Pro-dukten, sind meist in räumlich segmentierten Bereichen eigene Food-Courts eingerichtet. Interessante Beispiele dafür sind etwa in Altrincham (UK), Basel (CH), Florenz (IT) und München (DE) zu finden.

 

Von besonderer Bedeutung – die Qualität des Standorts

Der wirtschaftliche Erfolg einer Markthalle hängt nicht allein von der Attraktivität der Anbietenden und dem Produktmix ab, sondern zu einem Großteil vom optimalen Standort. Daher sind bei der Errichtung neuer Markthallen eine Fülle von infrastrukturellen, architektonischen und logistischen Rahmenbedingungen zu beachten.

Innenstadtlage und top saniertes Umfeld
Markthallen wurden und werden i. d. R. in Innenstädten realisiert. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie z. B. die Panzer-halle in Salzburg (AT) oder die Markthalle im Viadukt in Zürich (CH), nutzen die Mehr-zahl der Markthallen vorhandene Basisfrequenzen unmittelbar angrenzender Einkaufsstraßen und -viertel. Vor allem die neu entstandenen Genussmarkthallentypen liegen entweder in 1a-Toplagen, z. B. Freiburg oder Kopenhagen bzw. direkt neben Nahverkehrsdrehscheiben, z. B. Basel oder Bern (CH). Aufgrund der Bedeutung von Markthallen als wichtiger inner-städtischer Frequenzmagnet sollte das unmittelbare Umfeld städtebaulich möglichst attraktiv gestaltet sein bzw. eine hohe Aufenthaltsqualität in puncto Vorplatzgestaltung, Begrünung, Möblierung, Beleuchtung, etc. aufweisen.

Gute Erreichbarkeit
Der Großteil der Markthallen befindet sich in Fußgängerzonen oder in zumindest verkehrsberuhigten Bereichen; sie sind opti-mal an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden. Auch für die Pkw-Kundschaft sind diese Einrichtungen i. d. R. gut gerüstet. So verfügen bspw. die Markthallen in Florenz, München, Nancy und Stuttgart über eigene Tiefgaragen bzw. diese sind in direkter Anbindung vorhanden.

Markthallen benötigen für den Betrieb außerdem eine umfangreiche Liefer- und Entsorgungslogistik. Daher ist eine möglichst problemlose Zu- und Abfahrt der vielen Kleintransporter (der jeweiligen Standbetreibenden) sowie Abfallsammelfahrzeugen elementar. Damit einher gehen unterschiedliche Emissionen. Neben Zuliefer- und Entsorgungslärm in den Abend- und frühen Morgenstunden, Lärm- und Geruchsemissionen aus den Zubereitungsküchen, Waschstraßen und Kühlaggregaten, sind vor allem jene Markthallen mit starker gastronomischer Komponente und Öffnung in den Abendstunden Lärmerzeuger. Daher erscheint es sinnvoll, Markthallen nicht in unmittelbarer Nähe von größeren Wohneinheiten zu etablieren.

Markthallen benötigen Raum
Markthallen sind i. d. R. komplexe Gebäudeeinheiten. Betriebs- und Klimatechnik ist ebenfalls in der Markthalle unterzubringen – als unterschiedliche Lager (Kühl boxen, Trocken- und Mülllager für die Anbieter, Räume für Mobiliar, Marktstände), Sanitäreinrichtungen für Besucher*innen und Personal, Vorbereitungsküchen, Waschstraßen und vor allem der öffentlich zugängliche Bereich der Markt- und Gastronomiestände. Je nach Größe der Markthalle und inhaltlicher Ausrichtung umfasst dieser Sektor normaler-weise zwischen 40 – 60 % der Gesamtfläche. Mir ist nur eine einzige Einheit bekannt, welche von dieser Norm abweicht – die „Markthalle im Viadukt“ in Zürich, welche aufgrund der sehr beschränkten Raumkapazitäten sowie des Nichtvorhandenseins einer Unterkellerung keine Lagerflächen aufweist und die technischen Einrichtungen knapp unterhalb des Daches untergebracht hat.
Markthallen unter 1.000 m² bespielter Fläche sind kaum vorhanden (Ausnahme z. B. Markthalle in Freiburg) und nur unter bestimmten Rahmenbedingungen über lebensfähig (z. B. in Hochfrequenzlagen oder mit Schwerpunktgastronomieorientierung). Wirtschaftlich erfolgreiche Konzepte sollten von einer Mindestgröße (Markt- und Gastrobereich) von zumindest 1.300 bis 1.500 m² ausgehen.

Nähe zu Frische- und Grünmärkten
Bei der Planung und Errichtung von neuen Markthallen kommt es fallweise zu Diskussionen hinsichtlich einer möglichen Konkurrenz zu bestehenden Grün-, Wochen- und Bauernmärkten. Kritische Stimmen führen an, dass durch Markt-hallen derartige temporäre Handelsplätze stark ausgedünnt und schlussendlich substituiert werden. Die Erfahrung zeigt jedoch vielmehr, dass Markthallen, welche sich in der Nähe oder bestenfalls in direkter Nachbarschaft zu temporären Märkten befinden, nicht nur eine umfassende Belebung (z. B. mehr Anbieter, Entwicklung von zusätzlichen spezialisierten Tagesmärkten) herbeiführen, sondern regelrechte stationäre Cluster von Spezialanbietern aus dem Lebensmittelbereich im Umfeld der Markthalle entstehen, z. B. in Genua oder Livorno (IT) und Troyes (FR).

Genuss, Lifestyle, Architektur

In Zeiten hybriden Konsumverhaltens, des bequemen, jedoch wenig emotionalisierenden Online-Shoppings und nicht zu guter Letzt auch als eine Antwort auf die Wirrnisse und Entsagungen der gegenwärtigen Pandemie, stellen gut gemachte und attraktive Markthallen sinnliche Plätze dar. Ich bin sogar geneigt, die Definition des amerikanischen Stadtsoziologen Ray Oldenburgs über „third place“ als „home away from home“ auf Markthallen anzuwenden – vorausgesetzt, diese Einrichtungen sind auf die nachfolgenden Faktoren ausgerichtet.

Genussorientierung als Leitmaxime
Durch die inzwischen sehr gute Produktqualität und -vielfalt von Super- und Verbrauchermärkten positionieren sich viele (neue) Markthallen konsequent im hochwertigen Genuss-Segment. Wobei häufig eine kombinierte Strategie von speziellen, vom filialisierten Lebensmittelhandel nicht angebotenen Genussprodukten samt Sofort-Verzehr (entweder direkt am Stand oder in Gastronomieeinheiten) gewählt wird. Einzelne Markthallen z. B. in Basel oder Florenz haben zudem eigene Schaukäsereien oder Brotbackstuben integriert.

Angebotsmix aus regionalen und internationalen Produkten
Markthallen als kulinarische Visitenkarte der Region darzustellen, ist vielfach zu kurz gegriffen. Für das kritische und preis-bewusste Markhallenpublikum erscheint eine Variation zwischen heimischen Spezial- sowie nationalen und internationalen Produkten ein fachgemäßer Ansatz.
Um den Charakter einer „Genussmarkt“-Halle entsprechend aufrecht zu erhalten, sollte die Integration von Nicht-Lebensmittelanbietern sehr sorgfältig und in thematischer Nähe (z. B. Bio-/Naturkosmetik, Blumen) vorgenommen werden. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass die Mehrzahl der Anbieter gewerbliche Unternehmen sind.
Direktvermarkter, welche zumeist nicht über die notwendige Produktmenge bzw. zeitliche Ressourcen für eine dauerhaf-te Standpräsenz verfügen, werden häufig auf temporären (tageweise, bestimm-te Saison), kleineren und zumeist mobilen Marktständen innerhalb der Markthalle integriert.

Catering, Kochkurse und Seminare als zusätzlicher Service
Zusätzliche Einnahmequellen für Markt-hallen ergeben sich durch Cateringservices, das Angebot von Kochseminaren/ -schulen, in welchen in der Markthalle eingekaufte Produkte zubereitet wer-den, z. B. in Basel, Bern, Bologna, Florenz, Kopenhagen, Stuttgart sowie durch Produktpräsentationen und Seminare zu speziellen Lebensmittelthemen. Vor allem Markthallen mit starker gastronomischer Komponente werden nach Ladenschluss der Marktstände häufig zum After-Work-Treffpunkt, etwa für Firmenevents, Kongressempfänge und private Feiern.
Richtwerte aus Zeiten vor Pandemie sind rund 100 derartige Veranstaltungen pro Jahr in Basel sowie rund 120 pro Jahr in Freiburg.

Markthallenentwicklung als Public-private-Partnership
Markthallen, insb. in Klein- und Mittelstädten, sind keine Cashcows! Die Erfahrung in der Begutachtung von Markthallen in Europa hat gezeigt, dass die Mehrheit der Projekte keine gewinnbringenden Finanzinvestments für den privaten Sektor dar-stellen, bei welchen durch entsprechende Mieten die eingesetzten Mittel sich in einer akzeptablen Zeit amortisieren.

Viele Kommunen verstehen daher Markthallenprojekte als wichtigen Standortimpuls zur Förderung der Innenstadt, investieren in erster Linie in den Kauf bzw. Errichtung einer Markthalle. Der operative Betrieb erfolgt häufig durch das eigene Marktamt bzw. eine städtische Tochtergesellschaft oder wird an private Betreiber ausgesourct.

Um jedoch die Aussage „Markthallen sind keine Cashcows!“ zu relativieren, merke ich abschließend eins an: Sofern die in diesem Beitrag dargelegten Bedingungen und Standortfaktoren weitgehend berücksichtigt werden, ist der Betrieb einer Markt-halle grundsätzlich betriebswirtschaftlich erfolgreich und erzeugt einen wichtigen Mehrwert für die innerstädtische Wirtschaft.


 

Foto: Denis Karabasch im Auftrag der Pro Herford GmbH

 

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Autor*in

Roland Murauer

cima Österreich // CEO // Experte für Orts- und Stadtkernentwicklung in Österreich und Europa

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