Christian Hörmann
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Interview

Lust auf das Kaufhaus Innenstadt machen


Das Magazin „Die Wirtschaft zwischen Alb und Bodensee“ der IHK Ulm und Bodensee-Oberschwaben sprach mit cima-Projektleiter CHRISTIAN HÖRMANN über die Vorteile Digitaler Kundenbindungsinstrumente für den stationären Einzelhandel.


Wie können digitale Kundenbindungssysteme den stationären Handel in der Innenstadt attraktiver machen?

Bei jedem Instrument, das der Attraktivierung des stationären Handels in unseren Innenstädten dienen soll, muss immer die Nutzen-Aufwand-Frage auf Seite des Verbrauchers gestellt werden: Welchen konkreten Nutzen generiert mein digitales Kundenbindungsinstrument beim Kunden? Sobald dem Kunden reelle Vorteile entstehen, wird dieser eher bereit sein, seine Einkäufe in der nächstgelegenen Innenstadt zu tätigen, als online zu shoppen. Dieser Mehrwert, von dem ich spreche, muss dabei nicht immer ausschließlich ein Rabatt sein, so wie es oftmals suggeriert wird. Die Vermittlung eines VIP-Gefühls, der positive Effekt einer kleinen Überraschung, ein Informationsvorsprung gegenüber anderen Kunden oder die Vermittlung von Wertschätzung im Sinne „der Kunde ist König“ (Service, Service, Service!) – das alles sind eher softe Vorteile, die dem Kunden aber ebenfalls einen Nutzen bringen. Ein Kundenbindungsinstrument entfaltet ja bereits dann eine positive Wirkung, wenn der Kunde sich bei Verlassen des Geschäfts besser fühlt, als er es bei Betreten getan hat. Im besten Fall sorgt der Gebrauch eines Kundenbindungsinstrumentes für ein Glücksgefühl beim Kunden.

Was hat dieses Glücksgefühl beim Kunden nun mit der Attraktivität der Innenstadt zu tun?

Sehr viel! Denn durch digitale Kundenbindungsinstrumente werden beim Kunden Anreize geschaffen, auch in Zeiten des Online-Handels in der Innenstadt einzukaufen und den vermeintlichen Mehraufwand dafür in Kauf zu nehmen. Demensprechend binden sie Kunden längerfristig und tragen somit zum Erhalt oder gar zur Erhöhung von Frequenz in der Innenstadt bei. Sobald digitale Kundenbindungsinstrumente es also schaffen, Nutzen zu entfalten und Mehrwert zu schaffen, machen sie das Einkaufen in den Innenstädten attraktiver.

Welche Kundenbindungssysteme bieten im Stadtmarketing besondere Chancen?

In unserer Analyse „Digitale Kundenbindungsinstrumente im Handel in Baden-Württemberg“ wurde die höchste Zufriedenheit bei den altbekannten und nach wie vor sehr erfolgreichen überbetrieblichen Einkaufsgutscheinen, ebenso wie bei Kundenkarten (City-Cards) und Lokal-/Regionalwährungen gemessen. Meines Erachtens liegt die Chance in der Weiterentwicklung dieser bewährten Kundenbindungsinstrumente, um sich verändernden Parametern (v.a. Kundenverhalten und -wünschen) stellen zu können. Es geht demnach nicht nur um das System, sondern vielmehr um dessen Ausgestaltung. Ein gesamtstädtisches Einkaufsgutscheinsystem muss per se nicht immer gut sein, nur weil es ein Einkaufsgutschein ist. Es muss auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen können und diese auch beantworten können. Wenn der Kunde bspw. eine Badekugel im Wert von 3,99 Euro kaufen möchte, aber von seinem 10 Euro-Einkaufsgutschein die restlichen 6,01 Euro verfallen würden, weil Restbeträge nicht gehalten werden dürfen, wird das beim Kunde nicht zu einem positiven Einkaufserlebnis führen. Er wird das Geschäft sicherlich nicht mit einem zufriedeneren Gesicht verlassen, als er es betreten hat.

Während Kundenkarten von Unternehmen in großer Anzahl verbreitet sind, gibt es nur wenige Orte, in denen entsprechende Systeme etabliert worden sind. Woran liegt das?

Eine Stadt mit ihrer Vielzahl an Geschäften, d.h. an Händlern, die alle über unterschiedliche persönliche Voraussetzungen und Betriebsstrukturen verfügen, die in ihrem Betrieb diverse strategische Ausrichtungen verfolgen, ist an sich schon viel komplexer, als ein einzelnes Unternehmen. Diese Komplexität wird besonders bei den Bemühungen um die Einführung von überbetrieblichen Kundenkarten (oder anderen Kundenbindungssystemen) deutlich. Die mit einer Einführung verbundenen personellen und teilweise finanziellen Aufwände stellen die Händler, je nach ihren individuellen Voraussetzungen, vor mehr oder weniger große Herausforderungen. Auch auf Seiten der Werbegemeinschaften ist die Einführung eines Kundenbindungssystems mit Zeit und Kosten verbunden. Und meistens liegt die Krux nicht in der Projektplanung, sondern im Vertrieb. Denn nicht selten kann eine kritische Masse an Händlern, die für den Erfolg eines Systems unabdingbar ist, erst durch eine intensive und stetige Betreuung der Händlerschaft durch die Werbegemeinschaft gewonnen werden.

Aber auch andere externe Faktoren, wie bspw. die Klärung rechtlicher Belange, auch vor dem Hintergrund der Einhaltung der EU-Datenschutzgrundverordnung, erschweren die Einführung von Kundenbindungsinstrumenten oftmals. Es muss eben nicht nur für ein Unternehmen, sondern für viele gedacht werden

Sie sprechen sich dafür aus, dass erfolgreiche Kundenbindungsinstrumente digital werden müssen. Welche Zusatzeffekte erwarten Sie?

Es geht meines Erachtens um positive Zusatzeffekte auf beiden Seiten: auf Seiten des Handels und der Werbegemeinschaften ebenso wie auf Seiten der Kunden. Vordergründig erwarte ich durch die Digitalisierung von Kundenbindungsinstrumenten eine deutliche Reduktion der Organisationsaufwände auf Seiten des Handels und der Werbegemeinschaften. Sobald bspw. das Clearing, d.h. die Abrechnungen Händlern und Werbegemeinschaft automatisiert über ein Onlinesystem läuft, können personelle Ressourcen und damit Kosten erheblich gesenkt werden. Dadurch wird die Umsetzung von Kundebindungssystemen nicht nur kleineren Werbegemeinschaften erleichtert, sondern auch das Ehrenamt kann entlastet werden.

Auf Kundenseite entstehen durch die Digitalisierung von Kundenbindungsinstrumenten ganz unterschiedliche Zusatzeffekte, die stets auf die Schaffung und Verbesserung von Nutzenvorteilen abzielen. So werden sie nicht nur die Ansprache der Zielgruppe von morgen, den Digital Natives, vereinfachen, sondern vor allem in der Handhabung punkten: Die individuelle Stückelung der Beträge bei Gutscheinkarten, die Absicherung, dass Guthaben oder gesammelte Punkte auch bei Verlust einer bspw. analogen City Card oder eines Gutscheins nicht verloren gehen, sondern mithilfe einer Kundennummer online abrufbar und damit wiederherstellbar sind oder auch, dass der Kunde dank eines CRM-Systems individuelle, auf ihn zugeschnittene Angebote anstatt von Massenwerbung erhält, sind nur einige wenige Vorteile, auf die Kunden künftig nicht mehr verzichten werden wollen. Schließlich sind sie das bereits von ihren Online-Shopping-Trips gewohnt.

Die Umsetzung von Digitalstrategien erfordert finanzielle und personelle Mittel. Welche weiteren flankierenden Maßnahmen sind notwendig, um einen Digitalisierungsprozess auf örtlicher Ebene erfolgreich umsetzen zu können?

Man darf sich nichts vormachen: Jegliche Maßnahmen, von den strategischen Überlegungen, über die Planung und Umsetzung bin hin zur dauerhaften Begleitung, Evaluierung und Weiterentwicklung des Kundenbindungssystems, erfordern eine finanzielle und personelle stabile Lage. Was diese Leistungen jedoch ungemein erleichtern, sind ebenso stabile Rahmenbedingungen. Konkret heißt das: Die Etablierung eines digitalen Kundenbindungsinstrumentes alleine, wird nicht alles alleine richten können – das Vorhaben muss in eine gesamtstädtische Digitalisierungsstrategie integriert werden. Ist solch eine Strategie nicht vorhanden, sollte dies als Chance verstanden werden, eben solch eine zu entwickeln. Beim Aufbau einer umfassenden Digitalstrategie für Kommunen verfügen wir als cima über fundierte Erfahrungen, die nicht zuletzt aus der Federführung des Bayerischen Pilotprojektes „Digitale Einkaufsstadt Bayern“, stammen.

Die Ausarbeitung einer Digitalisierungsstrategie impliziert einen weiteren elementar wichtigen Aspekt: Digitalisierung muss Chefsache sein! Die Schaffung einer Stelle für einen Kümmerer (Digitalisierungsbeauftragten), der v.a. die Umsetzung des Systems im Ort begleitet, sehe ich als zentrales Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg eines digitalen Kundenbindungsinstrumentes. Dies bedeutet nicht, dass die Verantwortung abgegeben werden darf. Ein digitales Kundenbindungsinstrument wird nur dann erfolgreich sein, wenn möglichst alle beteiligten Akteure vor Ort, und dazu zählen in erster Linie die Händler selbst, das gleiche Ziel vor Augen haben und zusammen an einem Strang ziehen – und zwar dauerhaft. Ausdauer und Geduld sind hier nicht zu unterschätzende Tugenden.

Nicht zuletzt muss das Vorhaben von Online- und Offline-Marketingmaßnahmen begleitet werden und zwar nicht von irgendwelchen, sondern von qualitätsvollen und zielgruppengerichteten. Schließlich sind es diese Maßnahmen, die nicht nur das Produkt „Digitales Kundenbindungsinstrument“, sondern auch das gesamte „Produkt Innenstadt“ und damit den örtlichen Handel, nach außen kommunizieren und deren Bekanntheit erhöhen. Gelungenes Marketing muss Händlern und Kunden Lust auf das Einkaufserlebnis im Kaufhaus Innenstadt machen – ebenso wie das digitale Kundenbindungsinstrument.


Interview im IHK-Magazin gekürzt (pdf)


 

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