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Meinung

Liebe Innenstadt, jetzt erst recht!

 

Mit Dir habe ich in meiner Jugend unzählige Nachmittage verbracht. Bummeln mit Freundinnen, Erledigungen mit Mama oder das langersehnte Date mit dem Schwarm – mit einer schier unendlichen Auswahl an Geschäften, Dienstleistungen und Gastronomien war für mich damals die Fußgängerzone meiner Heimatstadt genau der richtige Ort. Auch als meine Wohnorte über die Jahre wechselten, gehörte der regelmäßige Besuch bei Dir, liebe Innenstadt, nach Feierabend und am Wochenende zu meinem Leben. Ich war schon immer dein Fan. Und mit meiner Liebe für dich bin ich nicht allein. Das zeigt die hohe Zahl Deiner Anhänger*innen bspw. hier in München.

Laden- und Gastronomieschließungen, Zugangsbeschränkungen, Maskenpflicht, Abstandsgebot und nicht zuletzt die einfache Angst, durch den Besuch bei Dir an Covid19 zu erkranken oder den Virus weiterzureichen, haben in den vergangenen Monaten die Lust auf einen Bummel verändert. Nicht nur ich besuche dich weniger. Das bleibt nicht ohne Folgen: Du vereinsamst. Nahezu täglich liest man in Tages- und Fachzeitungen „Innenstadt wegen Corona so leer wie nie“ oder „Etliche Geschäfte in der Innenstadt müssen schließen“. Mir läuft dabei ein Schauer über den Rücken. Vor allem, wenn ich bei einem meiner selteneren Besuche bei Dir, zunehmend Leere begegne. Als Innenstadtliebhaberin droht mein Herz zu brechen. Ich sehe meine geliebten Gewohnheiten in Gefahr.

Aber wir Fans von Dir, liebe Innenstadt, zeigen nun erst recht Solidarität und Treue. Städteblogs und -profile schießen bei Instagram und Facebook quasi aus dem Boden. Nie zuvor wurden die sozialen Medien mit einer solchen Fülle an Infos beladen. Sie zeigen liebenswerte Details über Gewerbetreibende und kleine Fachgeschäfte und ihre Inhaber*innen. Unentdeckte Shops erhalten ein digitales Gesicht und entsprechende Aufmerksamkeit. Bislang unbekannte Innenstadtläden rücken in den Fokus und überraschen mit tollen Aktionen. Nahezu täglich lese ich, was ein Secondhand-Laden in der Randlage Neues hat. Vor der Pandemie kannte ich ihn nicht. Die Restaurants lerne ich über TakeAway Services im Home Office von einer neuen Seite kennen.

Wir Anhänger*innen treiben die Followerzahlen in ungeahnte Höhen und folgen dem Ganzen. Von „Love your City“ über „Support your favourite Bar“ bis „mir halt‘n zam“ – auch analog. In meinem Viertel sehe ich Leute mit Shirts von Bars und Kneipen. Ein bezaubernder Fan-Kult, als ginge es um internationale Bands. Und so stellen wir die Verbundenheit zur Dir erstmals ganz offen zur Schau.

Unsere Sicht auf Dich und Deine Bedeutung als Treffpunkt und Identifikationsraum sowie Shoppingdestination hat sich durch die Folgen von Covid19 enorm erweitert. Wir erkennen Deinen Wert neu. Die Begeisterung von uns Stadtbewohner*innen und -besucher*innen – auch meine – zur City mit vielfältiger Handels- und Gastrolandschaft steigt. So wie die Kreativität der Akteure. Großartig! Was in den Metropolen des Landes begann, setzt sich zunehmend auch in Mittel- und sogar Kleinstädten durch.

Das alles lässt mich hoffen, dass Du, liebe Innenstadt, trotz der gewaltigen Schwierigkeiten der Pandemie, Dein Gesicht nicht verlierst, sondern nur veränderst. Ich bin sicher, dass die Leute mit Kauflust und Erlebnisgier zu Dir, meinen Lieblingsort, zurückkehren werden. Ich freue mich als Innenstadt-Fan der ersten Stunde unheimlich auf eine Zeit nach der Pandemie. Zwischenzeitlich entdecke ich digital in diversen Apps neue Ecken von Dir, die ich „wenn alles wieder normal ist“ endlich live erleben kann.

Deine Susanne

 

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Autor*in

Susanne André

cima // Projektleiterin

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