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Meinung

Ja gewinnt!

 

Diese Entscheidung ist bemerkenswert: Im Rahmen eines Bürger:innenentscheides ist in der Gemeinde Hirschberg in Baden-Württemberg knapp für die Erweiterung eines Gewerbeparks abgestimmt worden. Das lässt deshalb aufmerken, weil vergleichbare Abstimmungen zur Vergrößerung von Gewerbeflächen häufig emotional aufgeladen sind und regelmäßig anders ausgehen. Oftmals wird nämlich für den Erhalt unversiegelter Landschaft gestimmt und somit wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Standorte ausgebremst.

Welche Argumente spielten eine Rolle und welche waren entscheidend? Als beteiligter Gutachter, der im Vorfeld mit einer Untersuchung zu den wirtschaftlichen Chancen der Erweiterung im Auftrag der Gemeinde tätig war, habe ich drei Thesen in Bezug auf das zur Erweiterung anstehende Gewerbegebiet.


Standortqualität

Das Gebiet ist aus planerischer Sicht und aus Sicht der Unternehmen mit herausragender Standortqualität gesegnet:

  • Es liegt im Wachstumspol Rhein-Neckar – mit Anschluss an das übergeordnete Straßennetz.
  • Es grenzt direkt an die Autobahn A5 an, weshalb für die An- und Abfahrt keinerlei Ortsdurchfahrten erforderlich sind.
  • Es verfügt über einen leistungsfähigen schienengebundenen Anschluss an den ÖPNV, so dass insbesondere für Beschäftigte eine attraktive Nutzungsalternative zum PKW besteht.
  • Es knüpft räumlich an ein vorhandenes Gewerbegebiet an, so dass keinerlei Flickenteppich entsteht und der Erschließungsaufwand begrenzt werden kann.

Diese Argumente konnten von der Gemeinde sachlich und anschaulich dargestellt werden – und zeigten Wirkung.

Öffentliche Debatte

Im Vorfeld der Entscheidung fand eine öffentliche Debatte über die angestrebte Qualität der Erweiterung des Gewerbegebietes statt. Davon abgesehen, dass solche Debatten noch vor wenigen Jahren maximal auf Seminaren von Planer:innenfortbildungen geführt wurden, war bemerkenswert, dass vor allem die an der Erweiterung interessierten Unternehmen Themen der Nachhaltigkeit als notwendigen Inhalt des künftigen Konzeptes des Gewerbeparks auf die Tagesordnung gesetzt hatten. Hoher Grünanteil inkl. Dachflächen, Quartiersparkplätze statt Versiegelung einzelner Betriebsflächen, Vorgaben für die Baumaterialienauswahl, gemeinsame Beschaffung von Material, Absprachen hinsichtlich effizienter Ver- und Entsorgung usw. sind Stichworte, die im Kontext des anstehenden Verfahrens der Bauleitplanung eingebracht und umgesetzt werden müssen.

Querschnitt aller Wahlberechtigten

Die parallele Abstimmung über den neuen Landtag in Baden-Württemberg beförderte eine hohe Wahlbeteiligung. Das führte dazu, dass nicht – wie häufig zu beobachten – lediglich engagierte Befürworter:innen und Gegner:innen teilnahmen, sondern ein recht guter Querschnitt der wahlberechtigten Menschen vor Ort. Daraus können z. B. Schlüsse hinsichtlich der erforderlichen Mobilisierung und der frühzeitigen Information bei vergleichbaren Verfahren gezogen werden.

Es ist ja einerseits grundsätzlich wünschenswert, eine hohe Beteiligung zu erzielen, wenn es um die Zukunft des eigenen Lebens- und Wirtschaftsraumes geht. Auf der anderen Seite können die beständig abgesenkten Quoren, die für Bürge:innenentscheide und ähnliche Formate inzwischen gelten, ggf. in einer unaufgeregten Debatte einmal kritisch hinterfragt werden. Elemente der direkten Demokratie sollten nicht in den Ruf geraten, dass sie jeweils nur die Interessen einiger Weniger berücksichtigen und ein Hemmnis für die Entwicklung guter Arbeits- und Lebensbedingungen für Alle bedeuten.

 

Eine Schlussfolgerung kann in jedem Fall gezogen werden: Komplexe Vorhaben, die nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung einer Kommune haben und Veränderungen bedeuten, müssen ohne Wenn und Aber ausreichend öffentlich diskutiert und dargestellt werden. Schon der Verdacht von Entscheidungen hinter verschlossenen Türen schadet jedem Projekt – sei es noch so überzeugend in der Sache. Mit guten Ideen und ernsthafter Bürger:innenbeteiligung muss sich keine Kommune verstecken; die Menschen lassen sich durchaus für etwas gewinnen!


 

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Autor*in

Uwe Mantik

Der Dipl. Sozialwirt Uwe Mantik prägt nach geschäftsführenden Positionen in Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaften seit 2001 das Unternehmensgeschehen der CIMA Beratung + Management GmbH maßgeblich mit: Geschäftsführender Gesellschafter war er von 2001-2012 bei der CIMA Projekt + Entwicklung GmbH, seit 2009 ist er Partner im Unternehmen. Zudem hat er seit 2016 die Büroleitung am Standort Lübeck inne. Zu seinen thematischen Schwerpunkten während Projektbearbeitungen an jedem Punkt Deutschlands zählen die Aspekte Wirtschafsförderung, Gewerbe-, Projekt- und Immobilienentwicklung sowie Kommunale Politikberatung. Uwe Mantik leitet das cima-interne Labor zur Weiterentwicklung des Geschäftsbereichs Wirtschaftsförderung und ist gefragter Referent, Redner und Fachautor sowie geschätzter Kollege.

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