Alle zwei Jahre spielt das IFH den Pauker (Abb.: © IFH Köln 2019)
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IFH verbreitet Schulstress – ein Kommentar

Es ist wie damals in der Schule: Eine Lehrkraft betritt die Klasse, im Gepäck die benoteten Klassenarbeiten, der Puls der Schülerschaft steigt. Einige würden sich am liebsten gleich auf den Mars beamen, andere wiederum – die Streber in der ersten Reihe – spitzen lässig, aber doch irgendwie verkrampft ihren Bleistift. Und dann hagelt es … Dreien. Die Welt geht wieder nicht unter. Ein glossenhafter Blick auf die IFH-Studie „Vitale Innenstädte 2018“ und deren Rezeption von Andreas Haderlein.

Rankings haben Charme, keine Frage. Über Bildung debattieren wir in Deutschland schließlich auch erst so richtig, seitdem es PISA-Studien gibt. Allein, wirklich besser geworden ist die bundesdeutsche Bildungssituation nicht. Stichworte wie Digitalpakt oder Chancengleichheit dominieren nachwievor die aktuellen Kultus-Nachrichten.

Innenstädte sind wie Bildung und Pisa liegt am Rhein. Wieso gerät Deutschland, insbesondere die Lokalpresse, seit 2014 alle zwei Jahre in Ekstase, wenn das Institut für Handelsforschung aus Köln (IFH) die Ergebnisse seiner Gassenhauer-Studie „Vitale Innenstädte“ über die Verteiler jagt und eine wahre Vortragstournee daran anschließt? Weil wir anscheinend nichts mehr lieben als den Vergleich und damit das Ärgernis, dass andere besser, und die (Schaden)Freude, dass wieder andere schlechter sind als man selbst. Denn nur darum geht es bei dieser recht einträglichen Untersuchung des IFH. Heidelberg freut sich wieder einmal zu den attraktivsten der 116 qua Passantenbefragung untersuchten Städte zu gehören (hätte bestimmt niemand damit gerechnet) und das beschauliche Neheim im Hochsauerlandkreis zählt zu den drei „Top-Performern“ in NRW. Kennen Sie Neheim?

Ich fasse die Ergebnisse der Studie gerne für Sie zusammen:

  • noch immer assoziieren die meisten Menschen mit der Innenstadt Einkaufen (Und das bei abnehmenden Frequenzen wie auch der HDE in seiner Jahrespressekonferenz vom 31. Januar 2019 konstatiert. Einkaufen ist also wie Schule. Alle wissen, wo sie ist, aber keiner hat so richtig Bock hinzugehen.)
  • alle lieben Sauberkeit (erstaunlich!)
  • Parkplatzsituation – auch hier keine Versetzungsgefährdung
  • Erlebnis (Was ist das eigentlich? Sex in der Umkleide von H&M oder das neue Burgerrestaurant, wo früher der Haushaltswarenhändler untergebracht war?) und Convenience (versteht meine Mutter schon nicht mehr) machen Innenstadtbesucher zufrieden
  • lokale Loyalty-Programme genießen hohe Zustimmungswerte (Wer will denn nicht sparen?) und – Zitat – „gerade auch bei Passanten der Innenstadt sind Potenziale für den Einsatz von Cross-Channel-Services gegeben“ (Wir arbeiten alle also nicht umsonst daran, die Digitalisierung als Chance zu begreifen.)

Wie auch immer Ihre Stadt abgeschnitten hat und falls sie überhaupt bewertet wurde – ein paar Städte hatten immerhin den Mut, nicht daran teilzunehmen – bleiben Sie cool und machen Sie Ihre Arbeit. Der Druck wird nicht größer oder kleiner, die Europäische Stadt vor dem Niedergang zu bewahren. Letztlich müssen Sie als Citymanager, Wirtschaftsförderin oder sonstwie am Gemeinwohl interessierter Mensch City-Akteure an einen Tisch bringen, Stroh zu Geld spinnen und Kooperation und Veränderung managen. Dann schafft es Ihre Stadt auch bis zum Abitur – oder macht wenigstens eine Banklehre.

Autor*in

Andreas Haderlein

Andreas Haderlein, ist Fachbuchautor und Change Manager. Er begleitete u. a. das Pilotprojekt „Online City Wuppertal“ (2013–2016) als Impulsgeber und Berater. Aktuell ist er u. a. für die Umsetzung eines regionalen Online-Marktplatzes in der Region Altmühlfranken verantwortlich. Sein jüngstes Buch „Local Commerce“ ist im März 2018 erschienen. // Mehr »

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