Auch in der Online City Wuppertal wurden Transparenz und entsprechende Reporte für Händler und Projektbeteiligte groß geschrieben (© Andreas Haderlein, 2016)
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Die Eigentümlichkeiten der digitalen (City-)Initiative – warum man sich auf sie einlassen sollte

Lokale Online-Marktplätze, Wlan- oder Beacon-Infrastrukturen oder städtische Apps zu etablieren, sind in vielen Stadtmarketing- und Citymanagement-Organisationen noch immer – um ein Bonmot der Bundeskanzlerin Angela Merkel zu zitieren – „Neuland“. Aber vier spezielle Charaktereigenschaften von digitalen Initiativen sollten Projektverantwortliche alles andere als davon abhalten dieses Neuland zu betreten – sie sollten mit ihnen umgehen lernen.

Meistens sind städtische Internetangebote nicht losgelöst von klassischen Aufgabenbereichen des Stadtmarketings zu betrachten. Der Mittelaltermarkt will im Netz beworben werden. Ein twitternder und bloggender City-Manager unterscheidet sich vordergründig nur durch die Wahl des Mediums vom Autor eines gedruckten städtischen Magazins oder klassischen Pressemitteilung – ohne dass das eine das andere überflüssig machen würde. Ein Online-Formular zur Meldung von defekten Straßenlaternen ist per se nur eine optimierte Form des Beschwerdemanagements, für das im Rathaus auch vor dem Online-Zeitalter Verwaltungsbeamte und Mitarbeiter zuständig waren.

Allerdings erfordern immer mehr digitale Kanäle und Plattformen im Werkzeugkoffer des Stadtmarketings neue Kompetenzen – erst recht, wenn digitale City-Initiativen erst als infrastrukturelle Grundleistungen etabliert werden müssen, für die es keinen „analogen“ Vorläufer gab, wie es beispielsweise bei öffentlichem WLAN oder lokalen Online-Marktplätzen der Fall ist. Dann können diesem Aufgabengebiet der „digitalen Stadt“ vier spezifische Eigentümlichkeiten attestiert werden, auf die sich Projektverantwortliche einlassen sollten.

Skalierbarkeit: Keine quantitative Limitierung

Digitale City-Initiativen – sofern sie nicht bewusst mit einem Qualitätsfilter oder hohen Eintrittsbarrieren arbeiten wie beispielsweise die am Qualitätsrouten-Modell orientierten „Nürnberger Meisterhändler“ – kennen keine Kapazitätsgrenzen wie etwa der Mittelaltermarkt, auf dem nur eine limitierte Zahl an Ständen und Menschen Platz findet. Sicherheitsbestimmungen und der zeitliche Rahmen limitieren den quantitativen Spielraum eines realen Events. Eine digitale Initiative wird quantitativ allenfalls durch Serverkapazitäten begrenzt.

Auch in der Online City Wuppertal wurden Transparenz und entsprechende Reporte für Händler und Projektbeteiligte groß geschrieben (© Andreas Haderlein, 2016)
Auch in der Online City Wuppertal wurden Transparenz und entsprechende Reporte für Händler und Projektbeteiligte groß geschrieben (© Andreas Haderlein, 2016)

Messbarkeit: (Bedingungslose) Transparenz

Digitale City-Initiativen – und das unterscheidet sie zentral von klassischen Offline-Maßnahmen – sind weitestgehend und leicht messbar und damit per se dokumentarisch, evaluierbar und transparent, so lange es die Macher und verantwortlichen Projektmanager nur wollen.

Transparenz bei der Erfolgskontrolle ist also möglich und geboten. Bedingungslose Transparenz freilich ist aus PR-strategischen oder akquisitorischen Gründen nicht zwingend ratsam. Aber intern erleichtert die Messbarkeit nicht nur eine Evaluierung nach Ende eines Projektes, sondern zählt bereits in sehr frühen Phasen als Steuerungselement und Korrektiv zum integralen Aufgabenbereich des Projektmanagements (Zugriffsmessungen auf Websites, Verweildauer unterschiedlicher Besucher, App-Downloads, Newsletter-Öffnungen, Konversions- und Interaktionsraten etc.).

Störanfälligkeit: Sollbruchstellen digitaler City-Initiativen

Was nützt die schönste City-Map, der ausgefeilteste Event-Kalender, der medienwirksamste Online-Marktplatz, wenn das mit viel Energie und Geld vorangetriebene Projekt von der adressierten Zielgruppe nicht hinreichend genutzt, befüllt oder – das Worst-Case-Szenario – nicht akzeptiert und von Stakeholdern kritisiert wird? Nichts! Zuweilen werden dann digitale City-Initiativen von Stadtmarketing-Organisationen zum Politikum oder arten in eine Provinzposse aus. In der österreichischen Stadt Klagenfurt am Wörthersee rief das Scheitern eines lokalen Shoppingportals sogar die Staatsanwaltschaft auf den Plan.

Und dennoch sind die Sollbruchstellen digitaler City-Initiativen keine lästigen Störenfriede des Projektmanagements, sondern zentrale Herausforderungen für alle Projektbeteiligten und wichtige Lerneinheiten auch für alle anderen Städte, die sich um die Belange der digitalen Zukunft der City kümmern.

Entwicklungsfähigkeit: Organisches Wachstum als Grundbedingung

Die gebaute Stadt hatte Jahrtausende Zeit, um sich mit ihren Konstanten (Handel, Verkehr, Bürgertum etc.) im Hier und Jetzt zu bewähren. Die digitale Stadt soll, geht es alleine nach ungeduldigen Anspruchsgruppen und den Digital-Kritikern, am besten gleich nach Erstellung des Codes „funktionieren“. Dieser unterschwellige Erfolgsdruck hindert viele Stadtmarketing-Organisationen daran, Maßnahmen überhaupt auf die Strecke zu bringen.

Webseiten oder Apps aber müssen ständig optimiert und aktualisiert werden. Sie sind per se dynamisch. Anders etwa als der Blumenkübel oder die Ruhebank in der Fußgängerzone, die eine überschaubare und kalkulierbare Pflege seitens der Stadtverwaltung brauchen. Digitale Projekte müssen – um in der Analogie zu bleiben – kontinuierlich gehegt und gepflegt werden: Es gilt Inhalte zu aktualisieren, Teilnehmer zu akquirieren (und zu überzeugen), Datenbanken zu befüllen, Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen, deren Sichtbarkeit in Suchmaschinen zu stärken und zum Beispiel via Social Media für einen stetigen Aufmerksamkeitsstrom zu sorgen.

Überblicksstudien wie die der CIMA von 2015 („Gemeinsam online? Digitale City-Initiativen auf dem Prüfstand“) haben hier zwar eine wichtige Orientierungsfunktion, aber dynamische, sich entwickelnde Digitalisierungsprojekte lassen sich damit nicht final bewerten. Der Lernerfolg wird bereits mit der Drucklegung einer Studie ausgeblendet.

Die Informationsplattform LocalCommerce.info will deshalb der Entwicklungsfähigkeit von digitalen City-Initiativen gerecht werden. So werden bestimmte Kennzahlen wie die der teilnehmenden City-Akteure, die Menge der verfügbaren Produkte auf einem Online-Marktplatz oder – soweit sie vorliegen – Nutzungsstatistiken regelmäßig aktualisiert. Die gegenwärtigen Anstrengungen von Werbe- und Interessengemeinschaften und Kommunen im deutschsprachigen Raum sollen portraitiert und eine fundierte Auseinandersetzung zu lokalen Online-Marktplätzen und online-lokalen Marketingmaßnahmen über Verbands- und Städtegrenzen hinaus in Gang gebracht werden.

Kurz: Mit LocalCommerce.info fällt es Projektverantwortlichen künftig leichter, sich zu orientieren, das eigene Projekt zu vergleichen und, wenn nötig, nachzujustieren.

Projektmanagement

Autor*in

Andreas Haderlein

Andreas Haderlein, ist Fachbuchautor und Change Manager. Er begleitete u. a. das Pilotprojekt „Online City Wuppertal“ (2013–2016) als Impulsgeber und Berater. Aktuell ist er u. a. für die Umsetzung eines regionalen Online-Marktplatzes in der Region Altmühlfranken verantwortlich. Sein jüngstes Buch „Local Commerce“ ist im März 2018 erschienen. // Mehr »

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